TOWARDS OTHER OPENINGS: AN ATTEMPT (TEIL II)
Listening Session und Treffen mit Raphael Daibert
Do 10 Oktober, 19 Uhr
Towards Other Openings: An Attempt ist der Titel eines Textbeitrags, den Daibert für eine kunstpädagogische Publikation im Jahr 2022 geschrieben hat und der nun in Form einer Listening Session und eines Treffens – also Teil II – in der Temporary Gallery stattfindet.
Die Veranstaltung beginnt mit einer Listening Session von Raphaels Stück Cotorradio, einer klanglichen und konzeptionellen Erkundung über Klänge der Zugehörigkeit (ausgehend von einer Begegnung des Künstlers mit den in Köln lebenden Sittichen, als er 2019 in der Stadt lebte), gefolgt von der Lesung eines Textes, den Raphael während seiner Residenzzeit schreibt.
Interessiert an einer Verschiebung von Perspektiven, ohne den aktuellen Moment, in dem wir leben, und das, was uns (sonst) umgibt, beiseite zu lassen, lädt das Treffen dazu ein, die Ohren (aufs Sehen) und die Augen (aufs Zuhören) abzustimmen, wobei die Perspektive des künstlerischen Arbeitens genutzt wird: die poetische Möglichkeit, nicht nur anderes zu imaginieren, sondern auch anders zu handeln.
Es werden selbstgemachte Pão de queijo, ein brasilianischer Snack aus Käse und Maniokmehl, für alle angeboten. Über eine kleine Spende würden wir uns freuen.
Raphael Daibert (he/him) ist brasilianischer Kurator, Künstler, Lehrender und Forscher. Er lebt in Berlin. Daibert arbeitet derzeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent am Institut für Philosophie und Kunstwissenschaft der Leuphana Universität Lüneburg und promoviert dort im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs "Kulturen der Kritik". Er machte seinen Master in Art Praxis am Dutch Art Institute (DAI) und ist Gründungsmitglied des Kuratorenkollektivs Cruising Curators in Berlin – zur Zeit Teil der Arbeitsgruppe des nGbK "Dissident Paths: Walking Together as a Method" (in Zusammenarbeit mit ReRouting) in 2025/2026. Raphael ist Mitbegründer der antirassistischen Arbeitsgruppe Third Space: Disordering the Mess, ein künstlerisch-pädagogisches Projekt, das 2021 im Rahmen des Projekts „Gruppendynamik – Der Blaue Reiter und Kollektive der Moderne“ im Lenbachhaus in München gegründet wurde. Raphael arbeitet mit dem Dutch Art Institute als Mitglied des Zulassungskomitees und als Referent für die Präsentationen der Student*innen des letzten Jahres zusammen. In seiner Praxis konzentriert sich Raphael hauptsächlich auf künstlerische Forschung und kollektive anti-hegemoniale Kunstprojekte.
Zur Zeit ist Raphael Daibert Gast des Residenzprogramms der Temporary Gallery.
Über das Residenzprogramm:
Es wurde zu einem erklärten, wenn auch oft nur halbherzig verfolgten Ziel von Kultureinrichtungen, ihre eigenen Strukturen im Hinblick auf Diversität zu hinterfragen und zu erneuern. Diversität darf aber nicht nur ein zeitlich begrenztes Programm oder eine hippe Agenda sein, sondern muss tiefer greifen. Die Frage darf nicht nur lauten, wer Zugang zu kultureller Bildung und ihren Einrichtungen erhält, sondern wer überhaupt in der Lage ist, kulturelle und/oder kreative Arbeit als Berufsperspektive in Betracht zu ziehen.
Obwohl die sog. „Art brut“ – Kunst von Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder einer geistigen Behinderung – sehr etabliert und hochgeschätzt ist, sind „Art brut"-Künstler*innen und ihre Kunstwerke aus der üblichen Kunstszene ausgeschlossen: „Art brut“ funktioniert als ein gesonderter Bereich der Kunstwelt mit eigenen Ausstellungen, an denen nur „Art brut“-Künstler*innen teilnehmen. Als Konsequenz treffen sich diese sehr selten mit Künstler*innen ohne Behinderung zusammen. Obwohl die Intention hinter „Art brut“-Ausstellungen sicherlich positiv und unterstützenswert ist, findet hier doch keine echte Inklusion statt – die Kunstwerke werden in separaten Ausstellungen „isoliert“, anstatt dass sie in Ausstellungen von Künstlern ohne Erkrankung oder Behinderung einbezogen werden. Um sich mit diesem Problem langfristig auseinandersetzen, initiierte die Temporary Gallery. Zentrum für zeitgenössische Kunst in Köln, ein Projekt, das auf Empowerment und Inklusion auf tieferem Niveau setzt: ein Residenzprogramm für Kulturschaffende mit dem Hauptziel: der Ausgrenzung sog. „Outsider Art“ entgegen zu wirken.
Das Ziel des Programms ist, mehrere internationale Kulturschaffende nach Köln einzuladen. Die Gäste besuchen Partnerinstitutionen und treffen Künstler*innen in ihren Ateliers . Zudem werden individuelle „Feedback-Sessions“ angeboten , Gespräche von etwa 1–2 Stunden Dauer, zu denen sich Kulturschaffende anmelden können. In einer Veranstaltung in der Temporary Gallery stellen die Residenten auch Ihre Arbeit vor.
Das Projekt haben wir im Jahr 2023 – dank der Unterstützung der Bezirksregierung Köln – erfolgreich getestet, mit dem Kunsthaus KAT18 als Partnerinstitution. Residencies 2023 waren das Kollektiv Sour Grass aus Barbados, Hubert Gromny aus Berlin und Luiza Proença aus Rio de Janeiro. Zu den Residencies 2024 gehörten Gilly Karjevsky aus Berlin und Alberta Whittles, Glasgow. 2024 wird das Projekt dank der Unterstützung der Stadt Köln (Förderprogramm: "Kultur – Diversity") fortgesetzt und um neue Partnerinstitutionen erweitert. Wir hoffen, dass das Projekt langfristig auch zur Stärkung der künstlerischen Szene in Köln beitragen wird. Denn eine bessere Vernetzung mit internationalen Kulturschaffenden erweitert die Möglichkeiten der in der Stadt ansässigen Künstler*innen, an Ausstellungen außerhalb Kölns teilzunehmen.
Bild:
cotorra, Barcelona (2021) – photo courtesy of the artist