VORTRAG
Prof. Dr. Isabell Lorey
Prekarisierung und (queere) Schulden
4 Juni 2019

 

Veranstaltung im Rahmen der Ausstellung "Heart of an old crocodile exploding over a small town"

Prekarisierung bezieht sich im Neoliberalismus nicht nur auf unsichere, begrenzte Arbeitsverhältnisse, sondern auf das ganze Leben. Prekärsein hingegen ist ein Zustand, der sowohl menschliche wie nicht-menschliche Lebewesen betrifft, eine anhaltende Gefährdetheit von Körpern, nicht nur weil sie sterblich , sondern auch gerade weil sie sozial sind.

In dem Vortrag präsentiert Isabell Lorey ihre Theorie der Prekarisierung ausgehend von einem dreifachen Zusammenhang von Prekarisierung und Schulden: Einmal als Lebens- und Arbeitsverhältnisse im aktuellen Finanzkapitalismus und einer Ökonomie, die auf Schulden basiert; zweitens als koloniale Grundlage der abendländischen Moderne; und als Lebensbedingung, die uns von Anderen und Umgebungen abhängig macht, von Sorge und Reproduktion. Sie wird dabei das Ineinandergreifen von Prekarisierung und Schulden-Ökonomie als vergeschlechtlichte und rassifizierte Verstrickung verdeutlichen und ein neues Verständnis von sozialen Schulden mit der Aktualisierung des Prekärseins vorschlagen. Wenn wir mit anderen verbunden sind, sind wird dann nicht wechselseitig verschuldet, ohne unbedingt moralisch verpflichtet zu sein? Was sind dann queere Schulden und warum sind sie schwarz? Welche Rolle spielt dabei die moderne maskuline und weiße Figur des autonomen Individuums? Warum benötigt diese Verwicklung eine lineare Zeitlichkeit mit dem Fokus auf die Zukunft? Wie könnte ein Bruch mit dieser Logik aussehen?

Der Vortrag begleitet die aktuelle Ausstellung in der Temporary Gallery. Er bezieht sich auf Themen, die ihr inhärent sind und geht über sie hinaus, im Bezug auf den Aspekt der Schuld in Verbindung zu Menschen, Dingen und Umgebungen.

Isabell Lorey ist Professorin für Queer Studies in Künsten und Wissenschaft an der Kunsthochschule für Medien in Köln. In ihrem Buch „Die Regierung der Prekären“ (2012) befasst sie sich mit der sich ausbreitenden Prekarisierung von Leben und Arbeit in neoliberalen Verhältnissen. Ihre jüngste Arbeit untersucht neue radikale Praktiken, die aus sozialen Bewegungen entstehen. Sie hat gerade ein Buch über „Presentist Democracy“ abgeschlossen.


Bilder

1 — Bram Demunter, Returning to John, 2018